Syntopischer Salon (2011)

Arbeiten / Kunst im Öffentlichen Raum

Syntopischer Salon (2011)


Home-Sweet Home (Station 3)
Syntopischer Salon, Goethestrasse 31, München
August 2011

 
Home-Sweet Home (Station 2)
Kunstherberge Birkenau
Mai 2011
Birkenau 10 + 12, München – Untergiesing

 
Home-Sweet Home (Station 1), Home where we belong…
Kunstraum München
März 2011

 
Ein Einkaufswagen im Miniformat wird durch eine Anhäufung gestapelter Bücher aufgehalten weiterzurollen. Sie scheinen den Wagen zu stützen, zugleich leisten sie Widerstand. Die Maßstäblichkeit von Skulptur und Labor korrespondiert ebenso wie die Filigranität des Wagens mit der Transparenz des Raumes. Zwei mobile Räume treffen sich und verschränken an einem Ort Außen- und Innenwelten.
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Syntopischer Salon – Urbane Schnittstelle
Der Syntopische Salon bringt seit 2009 in regelmäßigen Abständen „interkulturelle, interdisziplinäre und transdisziplinäre Werkstrukturen“ zwischen Kunst und Wissenschaft auf die Straße. Er agiert im südlichen Münchner Bahnhofsviertel, das durch die urbane Mischung geprägt ist, die sich aus dem geschäftigen Treiben der unterschiedlichen Kulturen ergibt.
Die spezielle Atmosphäre der Aktionen des Syntopischen Salons am und auf dem Bürgersteig der Goethestrasse entsteht durch die besondere Mischung von geladenen Gästen und zufällig vorbeigehenden Passanten.
Die Aktivitäten strukturieren sich weitgehend selbstorganisierend. Das Experiment „Syntopischer Salon“ hat einen offenen Ausgang.
 
Syntopic Salon – urban interface
The SYNTOPIC SALON enhances and presents since 2009 inter,- and transdisciplinary work structures aiming an exchange between art and science in Munich, Germany. The SYNTOPIC SALON projects are intervening close to Munich central train station area. This area is especially shaped through decades by the arriving people and visitors, therefore the usual coming and going of hotel guests but also mixed with the very bavarian traditional infrastructure; university clinics, book stores and turkish groceries form a unique sociocultural meltingpot within Munich. Therefore the special atmosphere around the SYNTOPIC SALON at Goethestreet 31 always randomly attracts visitors, locals and invited guests. The activities -curated since 2008 by an Architect, a Physician and an Art Scientist- reflect on this unique situation. The result of the experiment SYNTOPIC SALON is not predefined.
 
Home-Sweet Home (HSH)
HSH ist eine handliche Installation für Innenräume und vermittelte Außenräume. Je nach Standort tritt sie in Kontakt mit dem Besucher, vermittelt sich über den Bodenbelag an den Raum. HSH ist eine auf Dynamik und Mobilität ausgelegte Installation: ihre beiden Bestandteile der Einkaufswagen und die Bücher können mit wenigen Handgriffen zusammengepackt und an den nächsten Präsentationsort gerollt werden.
 
Darüberhinaus ist HSH ein Lehrbeispiel für die Ästhetik des Nützlichen: die Gestaltung des Objektes hat sich vollständig seinem Gebrauch untergeordnet. Der Einkaufswagen ist nicht vorrangig schön, seine Ästhetik ist so zurückgenommen, dass sie beweist, dass sie nicht im Vordergrund steht…
 
…Bei HSH herrscht im Wagen gähnende Leere, das Bildungsselbstverständnis ist förmlich unter die Räder gekommen. Die Leere als Zeichen einer Verweigerung? – oder hatte der Konsument nur nichts zu kaufen? Ohne seinen Einkaufskontext wirkt der Wagen merkwürdig verloren, muss von den Büchern fast gestützt werden. Zwar zeigt der Kunstkontext seine ästhetische und inhaltliche Dimension, kann ihn aber nicht wirklich verorten. Er bleibt fremd, zufällig unpassend abgestellt, nicht in seine Einkaufswagensammelstelle zurückgebracht, vom Obdachlosen entwendet, um seinen Hausrat in eine transportable Form zu bringen.
 
Wie die Ausstellungen in Innenräumen (Kunstraum und Birkenau) zeigen, sucht er nach einem festen Standort in dem Wie des Bodenkontaktes. Einmal werden Paneele von Fertigparkett unter die Installation auf den cleanen Boden des White Cube (Kunstraumes) gelegt, einmal (Birkenau) werden alle Bodenbeläge ausgeschnitten, bis der Wagen den realen Zimmerboden berührt. Im „Syntopischen Salon“ ist das nicht nötig. Der einfache Holzboden passt. Hier steht der Einkaufswagen an einem Ort, der ihm vertraut ist, in einer geschützten Übergangszone zwischen Innen und Außen. Vor der medizinischen Fakultät der Universität kehren auch die Bücher zu ihrem angestammten Sinn zurück. Sie wirken nicht mehr isoliert und unberührbar wie im Kunstraum und auch nicht verloren und überflüssig wie in der „Birkenau“. Hier machen sie Sinn, hier werden sie gelesen, hier sind sie nützlich und unverzichtbar.
 
Trotzdem oder gerade deshalb bleiben sich die beiden Installationsgegenstände auch in dieser vorläufig letzten Installation fremd. Sie fordern gerade zu ihre Entflechtung ein.
Durch seine Eindimensionalität schreit der Einkaufswagen förmlich nach dem richtigen Kontext, macht diesen sofort anwesend, denn jeder, nicht nur der Kunstbetrachter weiß, wo er hingehört. Hier an der Bordsteinkante fordert er den Passanten auf, ihn nach hause zurückzubringen und die freigewordenen Bücher nach oben ins Institutsregal zurückzustellen. Hier scheint der Zugriff so unmittelbar möglich, dass es den ordnungsliebenden Passanten geradezu in den Finger jucken muss, jedes Ding an seinen Ort zurückzubringen.
 
Und doch stehen Wagen und Bücher schön in ihrem bunten rechteckigen, filigranen durchsichtigen Muster vereint vor der rechtwinkeligen Fensterfassade des Universitätsgebäudes in ihrem durchsichtigen Kubus exponiert und präsentiert wie deren idealer „Schlussstein“. Und während sich der reale Ort mit den durch die Gegenstände transportierten und erinnerten Orten ganz nach dem Grundsatz der „Syntopie“ verschränken, kann sich der Passant in diesem oder jenem Gegenstand wiederfinden. Und auch wenn er nicht weiß, was er mit dieser Wiedererkennung anfangen soll, das rätselhafte Bild hat sich längst in seinen Kopf geschlichen, ist Teil seiner Erinnerung geworden. Vielleicht wird er das nächste Mal, wenn er den Einkaufswagen aus der Einkaufswagenkette mit seinem Pfand löst an Bücher denken, oder wenn er im Atlas der Geschichte liest an Einkaufswagen.
So verschenkt HSH an jeden Betrachter einen neuen Gedanken, der sich nicht im immer gleichen Karussell der individuellen Gedankenwelt dreht. Ein frischer Wind vielleicht oder mindestens ein kühle Brise.
Dr. Cornelia Oßwald-Hoffmann